KRITIS - Kritische Infrastrukturen und NIS2-Compliance fuer Unternehmen in Deutschland

Was ist KRITIS? – Definition und Bedeutung

Der Begriff KRITIS (Kritische Infrastrukturen) bezeichnet Organisationen, Einrichtungen und Anlagen mit wesentlicher Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, deren Ausfall oder Beeinträchtigung zu erheblichen Versorgungsengpässen, Störungen der öffentlichen Sicherheit oder anderen dramatischen Folgen führen würde.

Offizielle Definition nach BSI-Gesetz

Kritische Infrastrukturen sind nach § 2 Abs. 10 BSI-Gesetz (BSIG) „Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden."

Konkret geregelt wird die Einstufung als KRITIS durch die BSI-Kritisverordnung (BSI-KritisV), die spezifische Schwellenwerte für verschiedene Branchen definiert. Mit der NIS2-Richtlinie (EU 2022/2555) und dem geplanten KRITIS-Dachgesetz wird der regulatorische Rahmen ab 2025 erheblich erweitert.

📊 Über 30.000 Unternehmen in Deutschland werden voraussichtlich ab 2025/2026 unter die erweiterte KRITIS-Regulierung fallen – das ist eine Verzehnfachung gegenüber den bisherigen ~3.000 Betreibern!

KRITIS-Sektoren: Welche Branchen sind betroffen?

Die BSI-Kritisverordnung definiert derzeit 9 Hauptsektoren mit insgesamt 29 Teilsektoren. Mit NIS2 kommen weitere Bereiche hinzu:

Die 9 KRITIS-Sektoren (aktuell)

1. ⚡ Energie

  • Stromversorgung (Erzeugung, Verteilung, Netzbetrieb)
  • Gasversorgung
  • Mineralölversorgung (Raffinerien, Tankstellennetze)
  • Fernwärme

Beispiel-Schwellenwert: Stromnetzbetreiber mit ≥ 500.000 angeschlossenen Kunden

2. 🏥 Gesundheit

  • Krankenhäuser (stationäre Versorgung)
  • Apotheken (Arzneimittelversorgung)
  • Laboratorien
  • Medizinprodukte-Hersteller

Beispiel-Schwellenwert: Krankenhäuser mit ≥ 30.000 vollstationären Behandlungsfällen/Jahr

3. 💧 Wasser

  • Trinkwasserversorgung
  • Abwasserbeseitigung

Beispiel-Schwellenwert: Wasserversorgung von ≥ 500.000 Personen

4. 🍞 Ernährung

  • Lebensmittelproduktion
  • Lebensmittelhandel

Beispiel-Schwellenwert: 434.500 Tonnen Lebensmittel/Jahr oder 350 Mio. Liter alkoholfreie Getränke/Jahr

5. 🏦 Finanz- und Versicherungswesen

  • Banken und Sparkassen
  • Börsen und Clearinghäuser
  • Versicherungen
  • Zahlungsverkehr

Beispiel-Schwellenwert: Banken mit ≥ 2 Mio. Girokonten

6. 🚆 Transport und Verkehr

  • Schienenverkehr
  • Luftverkehr (Flughäfen, Airlines)
  • Schifffahrt (Häfen, Reedereien)
  • Straßenverkehr (Logistik)

Beispiel-Schwellenwert: Flughäfen mit ≥ 1 Mio. Passagieren/Jahr

7. 🏛️ Staat und Verwaltung

  • Regierungseinrichtungen
  • Parlamente
  • Justiz
  • Notfall- und Rettungswesen

Besonderheit: Keine quantitativen Schwellenwerte, qualitative Einstufung

8. 📡 Informationstechnik und Telekommunikation

  • Internet-Service-Provider
  • Rechenzentren
  • Telekommunikationsanbieter
  • Cloud-Provider
  • Managed Service Provider

Beispiel-Schwellenwert: Rechenzentren mit ≥ 12.000 m² IT-Fläche

9. 📺 Medien und Kultur

  • Rundfunk (TV, Radio)
  • Printmedien

Beispiel-Schwellenwert: Rundfunkveranstalter mit ≥ 1 Mio. erreichbaren Personen

Neue Sektoren durch NIS2 (ab 2025/2026)

Die NIS2-Richtlinie erweitert den Anwendungsbereich erheblich um folgende Bereiche:

  • 🏭 Verarbeitendes Gewerbe: Chemie, Pharma, Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektronik
  • ♻️ Abfallwirtschaft: Entsorgungsbetriebe mit ≥ 100.000 Tonnen Abfall/Jahr
  • 🌐 Digitale Dienste: Social Media Plattformen, Suchmaschinen, Cloud Computing
  • 🔬 Forschung: Forschungseinrichtungen mit kritischen Infrastrukturen
  • 📮 Post- und Kurierdienste: Paketdienstleister
  • 🏢 Öffentliche Verwaltung: Bundes- und Landesbehörden
  • 🌌 Weltraum: Satellitenbetreiber

Schwellenwerte: Wer ist konkret betroffen?

Die Einstufung als KRITIS-Betreiber erfolgt anhand von quantitativen Schwellenwerten, die in der BSI-Kritisverordnung (Anlage 1-7) festgelegt sind. Hier sind praxisnahe Beispiele:

Energie-Sektor

Teilsektor Schwellenwert Betroffene Unternehmen (Beispiele)
Elektrizität – Verteilung ≥ 500.000 angeschlossene Kunden Stadtwerke großer Städte, regionale Netzbetreiber
Mineralöl – Tankstellen ≥ 420 Mio. Liter Kraftstoff/Jahr Große Tankstellennetze (Aral, Shell, Total)
Fernwärme ≥ 25.000 angeschlossene Haushalte Stadtwerke mit Fernwärmenetzen

Gesundheits-Sektor

Teilsektor Schwellenwert Betroffene Unternehmen
Krankenhäuser ≥ 30.000 vollstationäre Behandlungsfälle/Jahr Große Universitätskliniken, Maximalversorger
Apotheken ≥ 4.650.000 abgegebene Packungen/Jahr Großapotheken, Apothekenketten mit Zentrallager

Ernährungs-Sektor

Teilsektor Schwellenwert Betroffene Unternehmen
Lebensmittelproduktion ≥ 434.500 Tonnen/Jahr Große Molkereibetriebe, Fleischverarbeiter, Bäckereien
Getränkeproduktion ≥ 350 Mio. Liter/Jahr (alkoholfrei) Getränkehersteller, Brauereien
Lebensmittelhandel ≥ 1.300 Verkaufsstellen Große Supermarktketten (REWE, EDEKA, Kaufland)

IT & Telekommunikation

Teilsektor Schwellenwert Betroffene Unternehmen
Rechenzentren ≥ 12.000 m² IT-Fläche Colocation-Provider, Hyperscaler (AWS, Azure, Google Cloud)
Internet-Knoten ≥ 75 Gbit/s durchschnittlicher Traffic DE-CIX Frankfurt, ECIX, AMS-IX
Cloud-Provider ≥ 500.000 Nutzer AWS, Microsoft Azure, Google Cloud, IBM Cloud

⚠️ Wichtig: IT-Zentralisierung als Multiplikator

Die KRITIS-Einstufung hängt maßgeblich davon ab, wie stark die IT in die kritischen Prozesse involviert ist:

  • Dezentrale IT: Ein Einzelhandelsunternehmen mit 1.500 autonomen Filialen (eigene Server, lokale IT) ist nicht zwingend KRITIS
  • Zentrale IT: Dasselbe Unternehmen mit zentralisiertem IT-Betrieb (alle Filialen abhängig von einem Rechenzentrum) ist KRITIS-pflichtig

Beispiel: Ein Tankstellennetz mit 500 Stationen, das zentral verwaltet wird (Preissteuerung, Abrechnungssysteme, Logistik), fällt unter KRITIS – selbst wenn der Schwellenwert von 420 Mio. Litern knapp erreicht wird.

Anforderungen an KRITIS-Betreiber nach BSI-Gesetz

Unternehmen, die als KRITIS-Betreiber eingestuft werden, müssen folgende 5 Hauptpflichten erfüllen:

1. Registrierung beim BSI

Pflicht: Meldung an das BSI innerhalb von 6 Monaten nach Erreichen des Schwellenwerts (§ 8b Abs. 4 BSIG)

Inhalt der Meldung:

  • Name und Anschrift des Betreibers
  • Sektor und Teilsektor gemäß BSI-KritisV
  • Beschreibung der kritischen Dienstleistung
  • Nachweis der Schwellenwert-Überschreitung
  • Kontaktstelle für Sicherheitsvorfälle (24/7 erreichbar)

Konsequenz bei Nicht-Meldung: Bußgeld bis zu 100.000 € (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BSIG)

2. Benennung einer Kontaktstelle

Pflicht: Einrichtung einer Kontaktstelle als Schnittstelle zum BSI (§ 8b Abs. 4 BSIG)

Anforderungen:

  • Erreichbarkeit 24/7 für sicherheitsrelevante Vorfälle
  • Technische und organisatorische Kompetenz im IT-Sicherheitsmanagement
  • Befugnis zur Entgegennahme und Weiterleitung von Warnmeldungen

Best Practice: Viele Unternehmen nutzen ihr Security Operations Center (SOC) als Kontaktstelle

3. Umsetzung von IT-Sicherheitsmaßnahmen nach dem Stand der Technik

Pflicht: Implementierung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen (§ 8a Abs. 1 BSIG)

"Stand der Technik" umfasst:

  • 📋 Risikomanagement: Identifikation kritischer Prozesse und Bedrohungsszenarien
  • 🔐 Access Control: Least-Privilege-Prinzip, Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA)
  • 🛡️ Perimeter Security: Firewalls, IDS/IPS, Network Segmentation
  • 🔍 Monitoring & Logging: SIEM-Systeme, Security Event Correlation
  • 🔄 Patch Management: Regelmäßige Updates kritischer Systeme
  • 💾 Backup & Recovery: Offline-Backups, regelmäßige Wiederherstellungstests
  • 🚨 Incident Response: Definierte Prozesse für Sicherheitsvorfälle
  • 👥 Security Awareness: Schulung der Mitarbeiter

Branchenspezifische Standards (B3S): Das BSI hat für verschiedene Sektoren branchenspezifische Sicherheitsstandards entwickelt:

  • Wasserversorgung: B3S Wasser/Abwasser
  • Energie: B3S Energie (inkl. BDEW-Whitepaper)
  • Gesundheit: B3S Gesundheit (inkl. Kritis-V Gesundheit)

Alternativ können Betreiber auch ISO 27001 oder vergleichbare Standards umsetzen.

4. Nachweis der IT-Sicherheit alle 2 Jahre

Pflicht: Durchführung eines IT-Sicherheitsaudits alle 24 Monate (§ 8a Abs. 3 BSIG)

Audit-Optionen:

  • Sicherheitsaudit: Prüfung durch unabhängige, vom BSI anerkannte Prüfstelle
  • Zertifizierung: ISO 27001 auf Basis von IT-Grundschutz
  • Prüfung: Bestätigung durch Branchenverbände (z. B. BDEW, DVGW)

Audit-Umfang:

  • Review der implementierten Sicherheitsmaßnahmen
  • Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen
  • Penetration Tests kritischer Systeme
  • Schwachstellenanalysen
  • Prozess-Reviews (Incident Response, Change Management)

Dokumentation: Auditnachweise müssen dem BSI auf Verlangen vorgelegt werden

Empfehlung: Nutzen Sie professionelle Penetration Testing Services zur Vorbereitung auf das Audit

5. Meldung erheblicher IT-Sicherheitsvorfälle

Pflicht: Unverzügliche Meldung erheblicher Sicherheitsvorfälle an das BSI (§ 8b Abs. 4 BSIG)

Was gilt als "erheblicher Sicherheitsvorfall"?

  • ❌ Ausfall oder erhebliche Beeinträchtigung der Verfügbarkeit kritischer IT-Systeme
  • ❌ Verlust der Integrität oder Vertraulichkeit kritischer Daten
  • ❌ Cyberangriffe mit potenziellem Impact auf die Versorgungssicherheit
  • ❌ Ransomware-Angriffe auf produktive Systeme

Meldefristen:

  • 📢 Erstmeldung: Unverzüglich, spätestens nach Kenntnis des Vorfalls
  • 📋 Statusmeldung: Regelmäßige Updates über den Fortschritt der Behebung
  • 📄 Abschlussbericht: Detaillierte Analyse nach Behebung des Vorfalls

Meldewege:

  • 🌐 Online-Portal: https://www.bsi.bund.de/meldung
  • 📧 E-Mail: [email protected]
  • ☎️ Telefon: +49 (0)228 99 9582-222 (24/7 Hotline)

Konsequenz bei Nicht-Meldung: Bußgeld bis zu 2 Millionen € (§ 14 Abs. 1a BSIG, nach NIS2-Umsetzung)

💡 Praxis-Tipp: Incident Response Plan

Erstellen Sie einen detaillierten Incident Response Plan, der alle Meldewege, Verantwortlichkeiten und Eskalationsstufen definiert. Führen Sie regelmäßig (mindestens 1x jährlich) Cyber Crisis Exercises durch, um die Abläufe zu trainieren.

Unsere Security Consulting Services unterstützen Sie bei der Entwicklung maßgeschneiderter Incident Response Strategien.

NIS2-Richtlinie: Die große Erweiterung ab 2025/2026

Die NIS2-Richtlinie (Network and Information Security Directive 2, EU 2022/2555) ersetzt die bisherige NIS-Richtlinie und erweitert den Anwendungsbereich der Cybersecurity-Anforderungen massiv. Deutschland hat das NIS2-Umsetzungsgesetz am 13. November 2025 im Bundestag beschlossen; die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus. Das Inkrafttreten wird für Ende 2025 oder Anfang 2026 erwartet.

Die zwei neuen Kategorien

Kategorie Bezeichnung Aufsichtsintensität Bußgeld (max.)
Kritische Einrichtungen "Essential Entities" / "Betreiber kritischer Anlagen" Strenge Aufsicht durch BSI 10 Mio. € oder 2% des weltweiten Jahresumsatzes
Wichtige Einrichtungen "Important Entities" / "Einrichtungen" Stichprobenhafte Kontrollen 7 Mio. € oder 1,4% des weltweiten Jahresumsatzes

Verschärfte Anforderungen durch NIS2

1. Risikomanagement & Business Continuity

  • 📊 Risikoanalyse: Jährliche, strukturierte Bedrohungsanalysen
  • 🔄 Business Continuity Planning: Getestete Notfallpläne für kritische Prozesse
  • 🧪 Krisenübungen: Mindestens jährliche Cyber Crisis Simulations
  • 📈 Supply Chain Risk Management: Bewertung der Cybersecurity-Posture von Lieferanten

2. Incident Response & Reporting

Neue Meldefristen:
  • Frühmeldung: Innerhalb von 24 Stunden nach Kenntnis
  • 📋 Vollständige Meldung: Innerhalb von 72 Stunden
  • 📄 Abschlussbericht: Innerhalb von 1 Monat

Meldepflicht besteht für:

  • Vorfälle mit erheblicher Auswirkung auf Dienstleistungen
  • Datenschutzverletzungen mit potenzieller Gefährdung natürlicher Personen
  • Angriffe, die zu Betriebsunterbrechungen führen könnten

3. Technische & Organisatorische Maßnahmen

NIS2 fordert umfassende Sicherheitsmaßnahmen, die weit über bisherige KRITIS-Anforderungen hinausgehen:

  • 🔐 Zero Trust Architecture: Implementierung nach NIST SP 800-207
  • 🔑 Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA): Für alle privilegierten Accounts verpflichtend
  • 🔄 Patch Management: Kritische Patches innerhalb von 14 Tagen
  • 🔒 Verschlüsselung: Daten at rest & in transit (TLS 1.3, AES-256)
  • 📧 E-Mail Security: DMARC, SPF, DKIM verpflichtend
  • 🧑‍💼 Privileged Access Management (PAM): Just-in-Time Access, Session Recording
  • 📱 Mobile Device Management (MDM): Für alle Geräte mit Zugang zu kritischen Systemen

4. Governance & Accountability

Neu: Persönliche Haftung der Geschäftsführung

  • 👔 Management-Verantwortung: Geschäftsführung muss Cybersecurity-Maßnahmen genehmigen und überwachen
  • 🎓 Schulungspflicht: Regelmäßige Cybersecurity-Trainings für Management
  • 💼 Haftung: Bei grober Fahrlässigkeit persönliche Haftung der Geschäftsführung möglich

Größenkriterien für NIS2-Betroffenheit

Zusätzlich zu sektoralen Schwellenwerten gelten größenbasierte Kriterien:

  • Mittlere Unternehmen: 50-249 Mitarbeiter UND ≤ 50 Mio. € Jahresumsatz
  • Große Unternehmen: ≥ 250 Mitarbeiter ODER > 50 Mio. € Jahresumsatz

⚠️ Wichtig: Auch kleinere Unternehmen können betroffen sein, wenn sie in hochkritischen Sektoren tätig sind (z. B. DNS-Provider, Cloud-Dienste).

KRITIS-Dachgesetz: Physische Resilienz ab 2026

Das KRITIS-Dachgesetz (auch "Sicherheitsgesetz 3.0" genannt) setzt die EU CER-Richtlinie (Critical Entities Resilience Directive) um und ergänzt die IT-Sicherheitsanforderungen um physische Sicherheitsdimensionen. Das Gesetz wurde im September 2025 vom Bundeskabinett beschlossen und könnte noch 2025 oder Anfang 2026 in Kraft treten.

Zusätzliche Anforderungen

  • 🏢 Physical Security: Schutz vor Sabotage, Terroranschlägen, Naturkatastrophen
  • 🚨 Resilienzmaßnahmen: Redundanzen, Notfallpläne, Evakuierungskonzepte
  • 🔍 Risikobewertung: Jährliche Bedrohungsanalysen für physische Angriffe
  • 📋 Berichtspflichten: Meldung physischer Sicherheitsvorfälle

Beispiel-Szenarien:

  • ⚡ Angriffe auf Stromversorgungsanlagen (Trafo-Stationen, Umspannwerke)
  • 💧 Sabotage von Wasserversorgungsinfrastruktur
  • 📡 Physische Beschädigung von Telekommunikationsinfrastruktur
  • 🌪️ Naturkatastrophen (Hochwasser, Stürme) mit Impact auf kritische Anlagen

Compliance-Strategie: Wie Sie KRITIS/NIS2-konform werden

Phase 1: Gap-Analyse (4-6 Wochen)

  1. Schwellenwert-Prüfung: Stellen Sie fest, ob Sie die KRITIS-Schwellenwerte überschreiten
  2. Ist-Analyse: Bewerten Sie Ihre aktuelle IT-Sicherheitslage
    • Welche Maßnahmen sind bereits implementiert?
    • Welche Lücken bestehen im Vergleich zu BSI-Standards oder ISO 27001?
  3. Risiko-Assessment: Identifizieren Sie kritische Assets und Prozesse
    • Welche IT-Systeme sind für die kritische Dienstleistung essentiell?
    • Welche Bedrohungsszenarien sind am wahrscheinlichsten? (Ransomware, DDoS, Insider Threats)

Empfehlung: Beauftragen Sie externe Security Consultants für eine unabhängige Gap-Analyse.

Phase 2: Roadmap-Entwicklung (2-3 Wochen)

  • 📋 Priorisieren Sie Maßnahmen nach Risiko und regulatorischer Dringlichkeit
  • 📅 Erstellen Sie einen Zeitplan mit klaren Meilensteinen
  • 💰 Budgetplanung für Security-Investments (Tools, Personal, externe Dienstleister)
  • 👥 Definieren Sie Verantwortlichkeiten (RACI-Matrix)

Phase 3: Implementierung (6-18 Monate)

Quick Wins (0-3 Monate):

  • ✅ Registrierung beim BSI (falls noch nicht erfolgt)
  • ✅ Einrichtung einer 24/7-Kontaktstelle
  • ✅ Implementierung von MFA für alle privilegierten Accounts
  • ✅ Aktivierung von Security Logging & Monitoring
  • ✅ Erstellung eines Incident Response Plans (Basis-Version)

Mittelfristige Maßnahmen (3-12 Monate):

  • 🔧 Implementierung eines SIEM-Systems (z. B. Splunk, QRadar, Sentinel)
  • 🔧 Network Segmentation nach Zero Trust Prinzipien
  • 🔧 Etablierung eines Vulnerability Management Programms
  • 🔧 Deployment von Endpoint Detection & Response (EDR)
  • 🔧 Security Awareness Training für alle Mitarbeiter

Langfristige Projekte (12-18 Monate):

  • 🏗️ ISO 27001 Zertifizierung oder B3S-Compliance
  • 🏗️ Aufbau eines Security Operations Centers (SOC)
  • 🏗️ Implementierung von Security Orchestration, Automation and Response (SOAR)
  • 🏗️ Business Continuity Management System (BCMS) nach ISO 22301

Phase 4: Audit-Vorbereitung (3-6 Monate vor Audit)

  • 📄 Dokumentation aller implementierten Maßnahmen
  • 🧪 Pre-Audit durch externe Prüfer (Mock Audit)
  • 🔍 Penetration Test zur Identifikation verbleibender Schwachstellen
  • 📊 Vorbereitung der Nachweisdokumente (Policies, Prozessbeschreibungen, Ticketsysteme)

Phase 5: Kontinuierliche Verbesserung

  • 🔄 Jährliche Re-Assessments
  • 📈 KPI-Tracking (MTTD, MTTR, Patch Coverage, Security Incidents)
  • 🎓 Kontinuierliche Schulungen und Awareness-Kampagnen
  • 🔧 Anpassung der Maßnahmen an neue Bedrohungslagen

Sanktionen & Bußgelder: Was droht bei Nicht-Compliance?

Aktuelle Bußgelder nach BSI-Gesetz

Verstoß Rechtsgrundlage Bußgeld (max.)
Fehlende Registrierung beim BSI § 14 Abs. 1 Nr. 1 BSIG 100.000 €
Keine Umsetzung angemessener IT-Sicherheitsmaßnahmen § 14 Abs. 1 Nr. 2 BSIG 100.000 €
Fehlende oder verspätete Meldung von Sicherheitsvorfällen § 14 Abs. 1 Nr. 3 BSIG 100.000 €
Kein Nachweis der IT-Sicherheit (Audit) § 14 Abs. 1 Nr. 4 BSIG 100.000 €

Verschärfte Bußgelder nach NIS2 (ab 2025/2026)

Kategorie Bußgeld (max.) Bemessungsgrundlage
Kritische Einrichtungen (Essential Entities) 10 Mio. € oder 2% des weltweiten Jahresumsatzes Je nachdem, welcher Betrag höher ist
Wichtige Einrichtungen (Important Entities) 7 Mio. € oder 1,4% des weltweiten Jahresumsatzes Je nachdem, welcher Betrag höher ist

Zusätzliche Sanktionen:

  • ⚖️ Persönliche Haftung: Geschäftsführung kann bei grober Fahrlässigkeit persönlich belangt werden
  • 🚫 Betriebsuntersagung: BSI kann kritische Systeme stilllegen lassen, bis Compliance hergestellt ist
  • 📰 Reputationsschäden: Öffentliche Bekanntgabe schwerwiegender Verstöße

⚠️ Beispiel-Rechnung für ein mittelständisches Unternehmen:

Ein Stadtwerk mit 500 Mio. € Jahresumsatz versäumt die Meldung eines Ransomware-Angriffs:

  • 💰 Bußgeld nach NIS2: 10 Mio. € (2% von 500 Mio. €)
  • 💰 Wiederherstellungskosten: ~2 Mio. € (Incident Response, Forensik, Systemwiederherstellung)
  • 💰 Betriebsausfall: ~5 Mio. € (geschätzte Umsatzeinbußen über 2 Wochen)
  • 💰 Reputationsschaden: Schwer quantifizierbar, aber erheblich

Gesamtschaden: ~17 Mio. € +

Best Practices & Lessons Learned

1. Frühe Selbst-Einordnung

Problem: Viele Unternehmen wissen nicht, dass sie KRITIS-pflichtig sind.

Lösung:

  • Führen Sie jährlich eine Schwellenwert-Prüfung durch
  • Nutzen Sie den BSI Decision Tree
  • Konsultieren Sie Branchenverbände (BITKOM, BDEW, DVGW)

2. Dokumentation ist der Schlüssel

Problem: Viele Unternehmen haben Maßnahmen implementiert, können diese aber nicht nachweisen.

Lösung:

  • Führen Sie ein Information Security Management System (ISMS) ein
  • Dokumentieren Sie alle Security-Policies, Prozesse und technischen Konfigurationen
  • Nutzen Sie Ticketsysteme für Incident Tracking (z. B. JIRA, ServiceNow)
  • Halten Sie Audit Trails vor (SIEM-Logs mit 1-Jahres-Retention minimum)

3. Externe Expertise nutzen

Problem: Inhouse-Expertise reicht oft nicht für komplexe KRITIS-Compliance.

Lösung:

4. Supply Chain Security

Problem: Viele Cyberangriffe erfolgen über Lieferanten (Supply Chain Attacks).

Lösung:

  • Führen Sie Security Assessments für kritische Lieferanten durch
  • Fordern Sie ISO 27001-Zertifizierungen von IT-Dienstleistern
  • Implementieren Sie Least-Privilege-Access für externe Partner
  • Überwachen Sie Third-Party-Zugriffe kontinuierlich

Fazit

Die KRITIS-Regulierung und die kommende NIS2-Richtlinie stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen – bieten aber auch die Chance, die eigene Cyber-Resilienz nachhaltig zu stärken. Mit über 30.000 betroffenen Unternehmen ab 2025/2026 wird Cybersecurity zur Pflichtaufgabe für weite Teile der deutschen Wirtschaft.

Key Takeaways

  • 📊 Schwellenwerte kennen: Prüfen Sie jährlich, ob Sie KRITIS-pflichtig sind
  • Rechtzeitig starten: KRITIS-Compliance dauert 12-18 Monate – beginnen Sie frühzeitig
  • 📄 Dokumentation: Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht umgesetzt
  • 🔄 Kontinuität: Cybersecurity ist kein Projekt, sondern ein dauerhafter Prozess
  • 💰 Investment: Compliance-Kosten sind niedriger als potenzielle Bußgelder und Cyberangriffe
  • 🤝 Partnerschaften: Nutzen Sie externe Expertise für Gap-Analysen, Audits und Pentests

KRITIS-Compliance mit e2security

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Quellen und Referenzen

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Unser Team unterstützt seit über 10 Jahren KRITIS-Betreiber bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen. Wir begleiten Unternehmen von der initialen Gap-Analyse bis zur erfolgreichen BSI-Auditierung.

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